DO 19.04.2007 18:00 Uhr
IEM / CUBE

 

Davide Grassi (concept)
Brane Zorman (electronics)
Tomaž Grom (upright bass)
Manja Ristić (violin)
Matjaž Manček (guitar)
Ivana Grahovac (violoncello)

Brane Zorman
Brane Zorman

SERVER EARTH
co-organized by Aksioma, Ljubljana

 

Der Kern dieser interaktiven Gruppenimprovisation ist ein 18minütiges Video des slowenischen Medienkünstlers Davide Grassi, das per Multiscreening durch mehrere Monitore in den Raum projiziert wird. Zu sehen ist eine Bildkomposition aus Satellitenbildern, die auf zusammengeschnittenem und bearbeitetem Material des Programms Google Earth basiert. Breiten- und Längengrade ziehen durch das Blickfeld, die Bilder werden stetig temporeicher und suggestiver, und es entstehen nahezu sakral-technisierte Verdichtungen der geografischen Oberfläche, die in einem rauschhaften Prozess das Soziale re-kartographieren und re-codieren. Grassi erweitert hier sein Vorgängerprojekt Satellite Night Fever, das eine Art mehr oder weniger subtiles und kompaktes Re-Design von Godfrey Reggio’s Film Koyaanisqatsi aus dem Jahre 1983 ist. Google Earth, so Grassi, ist ein populäres, aber letztlich auch ein ziemlich dummes Programm, das im Grunde vornehmlich existiert, um für kommerzielle Zwecke benutzt zu werden. Ein derartiger Prozess ist ein weiterer Schritt, die Geschichte zu virtualisieren und neu zu schreiben. Historie präsentiert sich so als virtuelles weißes Blatt Papier: history reloaded.

 

Das Visuelle wird bei der Live-Aufführung Server Earth nicht als Dekoration, sondern als interaktives Improvisations- und Kompositionsmittel verwendet werden. Die Musiker sehen das durch ein bestimmtes Tempo inszenierte Bildmaterial und improvisieren darauf. „Bestimmte Bilder sollen wie ein Instrument funktionieren. Es gibt komplette Freiheit in der Improvisation, aber es gibt eine Grenze durch ein prädefiniertes System, daher ist es eine falsche, eine unechte Freiheit.“ Grassi bezeichnet seinen Video-Edit als ein Skelett für die Musiker, welche darin das Fleisch, die Muskeln erzeugen. So entsteht mit den Mitteln einer konzeptuellen Improvisation eine akustische Re-Definition des Bildlichen.

 

Die von Grassi mitinitiierte und geführte Non-Profit-Netzplattform Aksioma versteht sich als Netzwerk, das zwischen den Polen real und virtuell agiert und dabei neue Parameter für neue temporäre Plattformen schafft. Aksioma ist dabei weniger Programm als Struktur – oft genug virtuell – zur Generierung und Manipulation von virtuellen Fakten und Strukturen, die ihrerseits wieder ins Reale wirken. Improvisation ist nicht der Hauptfokus von Aksioma, so Grassi, aber eine willkommene strategische Handlungsweise und ein Mittel zum Ausdruck, ein Mittel zum Zweck. Die durch Aksioma initiierten Strategien, Manipulationen und Sabotagen basieren immer wieder auf einem explizit historisch-soziologisch-ästhetischen Ansatz, der letztlich auch einen politischen Subtext hat. „Server Earth“, so Grassi, „ist in diesem Sinne nicht das repräsentativste Video für Aksioma, aber ein guter Ansatz zum Verbinden von klassischen und zeitgenössischen Ausdrucksformen.“

Text: Marcus Maida