DO 19.04.2007 22:00 Uhr
STOCKWERK

Armin Pokorn (guitar)
Henrik Sande (piano)
Simon Schellnegger (viola)
Manfred Stern (flute)
Dusan Simonic (bass)

Tanzmusikkapelle
TANZMUSIKKAPELLE

TANZMUSIKKAPELLE

„Warum kann Neue Musik nicht auch unterhalten?“, fragt Pianist Henrik Sande, der zwar schon in frühester Jugend der Neutönerei frönte, aber auch immer schon einen großen Respekt vor Unterhaltungsmusik hatte. Der Komponist, der nebenbei auch noch für die Grazer Musicalakademie und die Kernöl Amazonen in die Tasten greift, sieht im Namen dieser für das V:NM-Festival gegründeten Kombo keine Ironie und nichts Respektloses. Auch Flötist Manfred Stern, dessen Vater noch ein echter Unterhaltungsmusiker der alten Schule war, betont den absurden Respekt vor diesem Musikgenre bzw. – gestus genauso wie „die Entsetzlichkeit und das Dienstleistungsverhältnis“ von modernen Tanzkapellen. Doch es gehört viel dazu, die Leute damit zu begeistern, bestätigt er, und wer weiß, vielleicht gelingt es diesem außergewöhnlichen Grazer Quintett mit seinen ureigenen absurd-omnipotenzialen Echtzeitkompositionen, das Publikum so oder so zum Tanzen zu bringen? Für Sande, der mittlerweile alle seine Kompositionen Tanzmusik nennt, verbindet sich im Grunde eh vieles mit dieser Zuschreibung: Intervalle, das Zeitliche, auch Bus und Bim – alles schöne Neue Tanz Musik. Auch mit dem Kopf lässt sich tanzen. Und es gibt den Tanz der Töne: verschiedene Rotationen tanzen mit sich, und auch im Ohr des Zuhörers. „Man ist bisweilen gar versucht, die Floskeln von Tanzmusik zu erfüllen, auch wenn es überhaupt nichts mit dem normativen physischen Tanz zu tun hat.“, so Stern, der behauptet, das Potenzial dieser Musik definitiv ausloten zu wollen.

Das erste Stück des Abends ist von Sande und leitet sich von der 5-st. Bb-moll Fuge des Wohltemperierten Klaviers Bd. 1 ab. Die musikalische Geometrie des Stückes indes spiegelt sich in nicht-musikalischen Aktionen. Gesetze sollen über Bord gehen und musikalisch gedachte Sprechtexte mit dramaturgischen Aktionen und Brüchen aufgeführt werden. „Eine andere Form von Nicht-Musik, die in dieser Form nicht hörbar ist“, sagt Stern dazu äußerst dezidiert.

Das zweite Stück ist Der komplementäre Quartencirkus von Stern. Dieser fängt in einer völlig konformen 4/4-Form an und entfernt sich dann ins „heilige Nichts, wo alles oder nichts die gleiche Bewandtnis hat.“ Wegziel ist, mit konkreten Formen soweit zu gehen, dass alles möglich sein kann, bis ins vollkommene Nichts – und dann rückführend in den Ursprungszustand zu gelangen, wo die Musik im wahrsten Sinne verendet.

Den Abschluss bildet PSSSS!, eine echte Echtzeitkomposition im Kollektiv. Anlass war der bewusste Wunsch nach Vermeidung von Klischees und vorgefertigten Meinungen genauso wie von allzu viel Probenarbeit. Improvisation und Komposition sollen sich angleichen. „Hier kann alles passieren – muss aber nicht“, so Sande, der aber wie alle anderen hofft, dass alles passiert, was passieren kann. „Die klangliche Konsequenz ist letztlich das Wichtigste, was ankommt“, ergänzt Stern.

Text: Marcus Maida