FR 20.04.2007, 18:30 Uhr
ESC LABOR

Clementine Neuray (improvising conductor)
Sigrid Riegebauer (idea, guitar)
Peter Lackner (twelve-tone-row, piano)
Reinhard Ziegerhofer (bass)

Take Twelve
Ziegerhofer - Neuray - Riegebauer - Lackner

SIGRID RIEGEBAUER – TAKE TWELVE

Die Grazerin arbeitet schon lange zwischen den Polen Komposition und Improvisation. In diesem spannungsreichen ästhetischen Feld behauptete die Künstlerin, deren Hauptinstrument die Gitarre ist, bei aller Ernsthaftigkeit und Ambition stets eine sehr spezifische Eigenständigkeit und Freiheit, die akademische Konvention und Einengung bewusst ablehnt.

Ihr exklusiv für das diesjährige V:NM-Festival erarbeitete Stück Take Twelve nennt sie „Eine serielle 12-Ton-Improvisationskomposition“. Ausgang ist eine 12-Ton-Reihe von Peter Lackner, von diesem als eine Zelle definiert, welche das größtmögliche Potenzial an Veränderung beinhalten und klanglich einen höchstmöglichen Grad von Asymmetrie aufweisen soll. Aus diesem hochpotenten Basismaterial soll im Zusammenspiel, das durch die strenge Notation strukturiert wird – jede Variante darf bei einminütigem Wechsel nur einmal wiederholt werden – mittels der Improvisation der Tonreihenfolgen ein fließender Klangprogress erwachsen.

Während der Probenarbeit entschied Riegebauer, dem Stück ein externes und flexibles Zeitmanagement zukommen zu lassen, das während der Aufführung von Clementine Neuray als „improvisierender Dirigentin“ übernommen wird. Die Idee ist, das potenziell sture Mathematische der bewusst strengen Textur zu umgehen, deren Grenzen sensibel aufzuweichen und es statt zu quasimaschinellen Brüchen zu einem organischeren seriellen Klangfluss kommen zu lassen, in dem die MusikerInnen die folgerichtige Kontinuität der Musik während des Improvisierens spüren und die Prozesse regelrecht vorausahnen können. Riegebauer, die sich von Neurays einzigartigen und hochsensiblem Dirigieren die entscheidende „Kontinuität und Farbigkeit“ verspricht, intendiert, „dass die Komposition die Improvisation geradezu erzwingt.“

Übrigens: Sie haben beim Titel richtig assoziiert – natürlich ist Brubecks alter Gassenhauer Take 5 ein Bezugspunkt, aber obschon alle drei SpielerInnen die Klangbilder des Jazz intus haben, wird hier noch nicht einmal im Gestus gejazzt. Vielmehr gehen Komposition und Improvisation einen organischen Hybrid ein, in dem Variationen logisch und intuitiv zugleich sind. Postmoderne Juxtapositionen sind nicht der Fokus dieser Aufführung, vielmehr wird eine dialektische Amalgamisierung zwischen Verdichtung und Offenheit angestrebt.

Peter Lackner ist ein veritabler und geschätzter Zwölfton-Experte und Kanonkomponist, Reinhard Ziegerhofer indes kommt vom Jazz, spielt bei der Band Broadlahn, kümmert sich dort um die Vermischung von Ethno, neuer Volksmusik und Jazz und engagiert sich nebenbei auch in afrikanischer Musik. Er ist einer der momentan meistengagierten Bassisten in Graz. Riegebauer ist das missing link, das Scharnier zwischen diesen beiden musikalischen Charakterköpfen. Ihr eigener akustischer roter Faden ist das Austesten von klanglichen Möglichkeiten der Tonerzeugung. Ihr Interesse für indische Musik, Mikrotonalität oder Schubert liegt auf derselben Linie – stets gilt es, Gemeinsamkeiten zu erkennen und zu transformieren. Clementine Neuray, erfahrene Musikensembleleiterin, arbeitete schon oft mit Riegebauer zusammen und kennt deren Musik in- und auswendig. Ein konzentriertes wie inspiriertes Zusammentreffen dieser musikalischen Geister verspricht äußerst vielversprechend zu werden.

Text: Marcus Maida