FR 20.04.2007, 18:30 Uhr
ESC / LABOR

Katharina Klement (piano, devices)
Peter Brandlmayr (conception, blackboard)

Katharina Klement
Katharina Klement

KATHARINA KLEMENT – PETER BRANDLMAYR:
TECHNISCHE STUDIEN

Katharina Klement ist eine sehr freie und avancierte Pianistin und Komponistin. Den klanglichen Innenraum ihres Instrumentes hat sie extrem erforscht und erschlossen, Fremdpartituren spielt sie seit einiger Zeit nicht mehr. Peter Brandlmayr jedoch, tätig beim Wiener Institut für Wissenschaft und Forschung, hat mit seiner konzeptuellen Dekonstruktion einer Partitur ihr unbedingtes Interesse an einer stetigen und erweiternden Dekonstruktion des Klavier-Klangs geweckt. Bei diesem Projekt wird Klement zum ersten Mal seit 10 Jahren wieder in die Rolle einer Interpretin schlüpfen und die „Notation“ Brandlmayrs interpretieren.

Technische Studien, das klingt neutral, nahezu wertfrei. Eine typische Illusion der Wissenschaft, verbirgt sich doch oft genug dahinter ein Regelwerk für Disziplinierung, ja Bestrafung, mitunter gar Exzesse der Regelhaftigkeit. In der Klaviermusik gibt es – manche Anfänger mögen sich schaudernd an Czernys Schulen erinnern – diverse Grausamkeiten an Fingerübungen. Die permanenten Einübungen mit einem von außen auferlegten Fleiß können auch als Drill-, Straf-, ja Folterwerke empfunden werden. Dieser Subtext wird von Klement/Brandlmayr aufgenommen und ad absurdum geführt. Grundmaterial ist ein Lehrstück von Franz Liszt im gewohnt virtuosen Gestus. Diese Partitur collagierte Brandlmayr mit paradoxen und mitunter sehr witzigen Bildern, technischen Graphiken oder Anweisungen aus wissenschaftlichen Büchern der Physik. Letztere unterteilen das Stück sehr klar in drei Teile: Bewegungs-, Festigkeits- und Wärmelehre. Technische Studien mit musikalischem Material zwischen Ausdruck und Disziplinierung also, die Klement improvisatorisch umzusetzen hat. Brandlmayr selbst schlüpft derweil in die Rolle von Prof. Martin Krause, der als klassischer Wissenschaftler zwischen Wahnsinn und Genie an der mit Kontaktmikrofonen präparierten Tafel steht, die Kreide quietschen lässt und Anordnungen gibt, die letztlich bis zur Klimax eines Umsturzes führen!

Es wird äußerst spannend sein, wie Klement/Brandlmayr die Dialektik zwischen dem Ernst des Konzeptes und dem surrealistischen Spiel finden werden. Soviel steht fest: „Das Spiel ist keine Ironisierung, eher eine beängstigende Reaktion“, so Klement. Der Subtext der Dekonstruktion des musikalischen Ausdrucks zwischen Disziplinierung und Freiheit bildet eine mögliche historisch-philosophische Textur, während die Performanz klar ins Dramaturgisch-Absurde führt. Die Sturheit einer musikalischen Notation wird durch die technischen Collagierungen sehr offen und frei, aber der Hintergrund wird nicht bis zur Unkenntlichkeit dekonstruiert werden. Oder wie Klement sagt: „Es ist wie bei einem Tuch, das schon sehr zerrissen ist, in dem man aber noch die Muster erkennen kann.“

Text: Marcus Maida