SA 21.04.2007, 22:30 Uhr
STOCKWERK

Oskar Aichinger (piano)
Claudia Cervenca (vocals)

Claudia Cervenca
Claudia Cervenca

Oskar Aichinger
Oskar Aichinger

OSKAR AICHINGER – CLAUDIA CERVENCA

„In der improvisierten Musik ist die Auswahl der Musiker der Großteil der Komposition – mehr als die Hälfte“. Der es sagt, muss es wissen: Aichinger, eine Bank der zeitgenössischen Musik aus Österreich, hat schon viele Formate des Musikmachens zwischen zeitgenössischer Kammermusik und freier Improvisation gelebt: ob Solo, Duo, Trio oder Oktett, ob als Ensembleleader oder auf den Spuren des großen Witold Lutoslawski. Aichinger weiß sehr genau, was er will und was Sinn und was keinen Sinn macht. Am meisten interessiert ihn der Liveauftritt, die Improvisation, und am wichtigsten ist ihm hier eine hohe Aufmerksamkeit gegenüber dem Ereignis. Ein gewisses Maß an Festlegung und Kontrolle ist gleichsam unabdingbar für einen Progress, eine völlige Freiheit läuft oft Gefahr, sich in den eigenen Schwanz zu beißen und redundant zu werden. Auch daher ist Aichinger immer offen und neugierig geblieben: gegenüber sich selbst, und gegenüber anderen.

Hinsichtlich des Gesangs jedoch blieb stets eine gewisse Skepsis und Scheu. Aichinger hat keine Toleranz gegenüber Primadonnen und hasst aufgesetzte Theatralik. Vieles an Jazzgesang kann schnell nerven: Standards, Scatts – uninteressant, klischeebeladen, prätentiös, nervtötend. Die in Wien lebende rumänische Sängerin Claudia Cervenca, aktiv im eigenen Trio und mit diversen Balkan-Projekten, zeigte jedoch nicht nur beharrliches Interesse, sie überzeugte ihn auch intuitiv. Ein erstes Treffen war spannend und lebendig und zeigte nicht nur Potenzial, sondern einen regelrechten Funkenflug an. Ein ähnliches Empfinden der Bögen und Spannungsverläufe bei absolut gleichberechtigten Impulsen – nach einer halben Stunde wollte Aichinger gar nicht mehr, um sich die Frische, Neugierde und Spannung nicht zu verderben.

Eine erste Beschäftigung mit rumänischer Folklore kegelten die beiden demgemäß alsbald um und machten radikal Tabula Rasa: frei nach (nicht nur) Derek Bailey fängt das Duo beim V:NM 2007 bei null an: keine Determinationen, keine Stücke, keine tonalen Bezüge, keine Absprachen.

„Die Dialektik zwischen Improvisation und Komposition ist schwierig, oft ist es unmöglich, dies sinnvoll zu verbinden“, weiß Aichinger. Je komplexer es wird, desto schwieriger ist es, das Intuitive aufrecht zu erhalten. Wenn man so determiniert ist, kann man sich nicht mehr freispielen. Daher versucht er zu vermeiden, dass sich die Prinzipien gegenseitig im Weg stehen. Widersprüche dürfen nicht nur zugelassen, sie müssen aktiv gelebt werden. Und doch ist es keine Schande, zu verlieren – nur, es nicht versucht zu haben. Wirklich versucht hat es der Altmeister noch nicht mit einer Sängerin, aber dafür ist ja das V:NM-Festival da: nicht nur für uns, auch für Oskar Aichinger eine echte Premiere!

Text: Marcus Maida